Eine kalte Nacht 

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Es war eine eiskalte Winternacht in Greenwich Village, Manhattan (die Art von Nächten, wenn einem der Atem in eisigen, weißen Wolken in der Luft gefriert und die Nasenspitze, Fingerkuppen und Zehen taub werden, auch wenn sie in warme wollene Handschuhe und Socken eingemummt sind), und ich hing am Washington Square mit einer Gruppe ortsbekannter Parkies ab (Leuten, die praktisch im zweitgrößten Park Manhattans lebten). Aber ich war nicht wirklich in Stimmung dazu; am liebsten hätte ich mich in ein warmes Bett gekuschelt und geschlafen. Vier Tage lang war ich ohne Unterbrechung rumgelaufen (auf Partys rumgehängt, Billard gespielt — also meine Zeit und Energie vergeudet) und musste mich jetzt dringend ausruhen. Ich war sehr erwachsen, sah sexy aus und hatte zu viel Erfahrung und Wissen für mein Alter. Ich wusste, wie man sich auf der Straße durchschlägt, und es gab keine schlechte Erfahrung, die ich noch nicht gemacht hätte; und doch war ich vom Wesen her im Grunde noch unschuldig und vertrauensselig. Ich war dreizehn Jahre alt.

 

Vermutlich hätte ich zu meiner Mutter zurückgehen können, doch schon als kleines Kind hatte ich sie immer von der schäbigen Seite des Lebens bewahren wollen, und ich war gewiss ein Teil davon. Sie hatte nicht wirklich die Voraussetzungen, um mit mir fertig zu werden — zumindest nicht zu jenem Zeitpunkt. Jedenfalls kam es mir aus irgendeinem Grund nicht in den Sinn.


Jemand fragte mich, warum ich so still sei, und ich erklärte, ich bräuchte dringend Schlaf, wisse aber nicht, wohin ich gehen sollte. Es gab ein paar neue Kids in der Gruppe — zwei ziemlich gut aussehende Jungs. Beide waren sehr muskulös und hatten ein sexy Lächeln; einer war blond und ein bisschen rechthaberisch, während der andere dunkel war und verträumt wirkte. Der Blonde fragte mich, ob ich mit ihm heimkommen wolle; er sagte, dass er ein kleines Apartment im Untergeschoss eines dieser Sandstein Häuser hatte, das seinem Vater gehörte. Dort könne ich eine Nacht lang schlafen, wenn ich wollte. Die beiden machten einen anständigen und netten Eindruck, und ihr Angebot war mehr als willkommen.

 

Meine beiden neuen Freunde und ich gingen quer durch der Stadt zu dem Souterrain-Apartment des Blonden. Es war ein warmer, gemütlicher kleiner Raum; überall standen Gewichte (beide standen auf Bodybuilding) sowie Trommeln (der Blonde sagte, er spiele in einer Band) und lagen Pornos herum (typisch für Jungs ihres Alters). Gut die Hälfte des Zimmers wurde von einem riesigen Bett eingenommen, das tagsüber zu einer Couch umfunktioniert wurde. Das Bett war mit Kissen in allen möglichen Größen und Farben bedeckt, und mehrere flauschige karierte Decken waren darübergeworfen.

 

Wir setzten uns auf das Bett, und der Blonde gab jedem von uns ein Sprite, das er aus einem kleinen Kühlschrank in einer Ecke des Zimmers nahm. Es war warm und friedlich, und immer wieder fielen mir die Augen zu. Der Blonde bemerkte es und hielt mir ein T-Shirt und Shorts hin, die ich zum Schlafen anziehen sollte; ich nahm beides dankbar an.

 

Nachdem ich mich in dem kleinen blauen Badezimmer umgezogen hatte, kuschelte ich mich aufs Bett und war wieder kurz vor dem Einnicken. Die Jungs brachten Koks zum Vorschein und zogen ein paar Linien; sie fragten mich, ob ich auch etwas wollte, aber ich war zu müde, um zu antworten, und schüttelte nur den Kopf. Im Hintergrund das brummende Gemurmel männlicher Stimmen und das Summen des Kühlschranks, fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

 

Als ich ein schweres Gewicht auf mir spürte, wachte ich auf; der Blonde lag auf mir und grinste mir ins Gesicht. Ich begann mich zu wehren, woraufhin er mich mit diesem typisch verkoksten Lächeln ansah und eine zwanzig Pfund schwere Hantel ergriff, die neben dem Bett lag. Er sagte: „Wir werden dich jetzt ficken, und wenn du nicht mitmachst, zertrümmere ich dir mit diesem Ding hier das Gesicht, und dann werden wir dich trotzdem ficken.“ Mir war klar, dass er es so meinte, und da er mit Koks zugedröhnt war, würde er es nicht spüren, wenn es mir gelänge, ihm wehzutun. Sein Freund saß einfach nur da und beobachtete uns lächelnd. Ich zuckte die Schultern und sagte okay; nicht, dass ich eine Wahl gehabt hätte.

 

Der Blonde zog erst mir und dann sich die Kleider aus, dann leckte er meine Nippel und biss mehrmals hinein, um sich dann ohne Vorwarnung auf mich zu hieven und mir seinen Penis reinzurammen. Es nahm kein Ende; das Koks verhinderte, dass er frühzeitig kam, und für mehr als eine Stunde fuhr er fort, auf mir herumzurammeln (in der Ecke hing eine Digitaluhr, und ich sah zu, wie die Minuten in grünen leuchtenden Ziffern vertickten). Als er endlich fertig war, rollte er sich von mir herunter, machte sich an ein paar Gewichten zu schaffen und begann zu trainieren.

 

Nun kam der andere Junge herüber und bestieg mich mit beinahe entschuldigender Miene. Wieder schien es eine Ewigkeit zu dauern (er brauchte zwanzig Minuten, um zu kommen). Und wieder lag ich einfach nur da und starrte die Uhr an.

 

Hinterher hatte ich das Gefühl, innen tot zu sein, ich fühlte mich ausgelaugt und unendlich müde. Ohne zu einem von beiden etwas zu sagen — auch sie waren still (ich schätze, die Wirkung des Koks ließ nach) —, nahm ich meine Anziehsachen und ging. Als ich die Tür aufmachte, fragte mich der Blonde, ob ich sicher sei, dass ich gehen wollte; er sagte, ich könne dort schlafen, so lange ich wollte. Ich schloss leise die Tür hinter mir und trat in die bittere Nacht hinaus.

 

Mir war kalt, innen wie außen, und ich bewegte mich wie ein Automat, der keine Gefühle und keine Emotionen kennt. Irgendwo tief in meinem Innern löste sich ein gellender Schrei, aber ich war Schmerz gewohnt, und es war leichter, taub zu sein, als meine Qualen zur Kenntnis zu nehmen.

 

Nachdem ich den knappen Kilometer zu dem Gebäude gegangen war, in dem meine Mutter wohnte, kam mir in den Sinn, dass ich nicht wollte, dass sie mich sah, vor allem nicht so. Statt meinen Schlüssel zu benutzen und durch die Vordertür des Apartment-Hauses reinzugehen, beschloss ich, den indirekten Weg zu nehmen. Alle Gebäude eines New Yorker Wohnblocks sind auf eine mehr oder weniger verschlungene Art miteinander verbunden. Ich durchquerte also das Restaurant, das sich zwei Türen weiter unten an der Straße befand, tapste durch den Keller bis zur Grenze des nächsten Hauses, kletterte über die schmale Mauer, die den Innenhof des Gebäudes umgab, schlängelte mich durch einen engen Korridor am oberen Ende der Mauer, bis ich den Zaun erreichte, der die beiden Gebäude voneinander trennte. Ich kletterte darüber, betrat durch die Hintertür das Haus, in dem sich die Wohnung meiner Mutter befand, und stieg die acht Geschosse der Treppe zum Dach hinauf.

 

Auf dem Dach blickte ich an dem acht Stockwerke hohen Gebäude hinab auf den Grund und erschauerte; dann sah ich zum Himmel und bemerkte einen einzelnen winzigen, blinkenden Stern. Auf der Dachpappe war ein alter Teppich ausgebreitet; er wirkte einigermaßen sauber. Ich wickelte mich hinein und schlief ein.

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